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Falsche Schwerpunkte in einer kopfstehenden Debatte
Die Digitalisierung des deutschen Schulsystems ist ein immer wieder proklamiertes Ziel, das gesellschaftlich weithin Zustimmung zu finden scheint. Nicht selten wird dabei eine gemeinsame Vorstellung von Digitalisierung vorausgesetzt. So gerät die Debatte oft schon an ihrem Beginn in Schieflage, da anschließend vor allem von der Bereitstellung von Devices und digitalen Lehrinhalten die Rede ist. Dabei gilt es unter dem Begriff Digitalisierung deutlich mehr zu verhandeln. Die Einengung der Debatte auf Geräte und die Bereitstellung von Lehrinhalten leuchtet schließlich gerade im Schulkontext nicht ein.
Die Schule als Ort der Zusammenkunft und des gemeinsamen Lernens, als Ort des Probierens und Erprobens, als Vorbereitung auf die vielfältigen Herausforderungen des Lebens, als Vermittlerin eines gemeinsamen Werte- und Bildungskanons. Welchen Beitrag kann Digitialisierung, kann digitale Technologie hierzu leisten? Viel zu selten wird das Thema Digitalisierung von dieser Seite aus beleuchtet.
Was ist Digitalisierung?
Digitalisierung ist die Abbildung eines Gegenstandes mit Hilfe von Zeichen (Digits) in einem Zeichensystem. Schriftsprache, Mathematik aber auch Zeichensysteme kultureller Ordnung (Kunst, Kultur, Musik), dies alles sind digitale Techniken, die schon immer an Schulen gelernt und gelehrt werden. Schulen sind seit jeher digitale Einrichtungen. Lehrer sind Digitalexperten.
Nun ist dies nicht die gemeine Vorstellung von Digitalisierung. I.d.R wird unter Digitalisierung die elektronische Verarbeitung von Daten und ihre algorithmische Auswertung und Analyse gefasst. Wichtige Felder dieser digitalen Datenverarbeitung sind: Informationsspeicherung, Informationsübertragung, Informationsverarbeitung, Informationsausgabe. Die dazugehörigen Anwendungen sind vielfältig: Kommunikation, Visualisierung, Wissensspeicherung, Knowledge Management, Kalkulation, KI etc. pp.
Außerdem ist Digitalisierung ein wirtschaftlicher Faktor. Viele Probleme, die durch Digitalisierung gelöst werden, sind Optimierungsprobleme. Beispiele: Amazon optimiert erst den Buchversand, dann den Warenversand und schließlich die Bereitstellung von technischer Infrastruktur. Microsoft optimiert die Textverarbeitung und Tabellenkalkulation und schließlich die Bereitstellung digitaler Infrastruktur für Unternehmen. usw. Gelingt es einem Unternehmen durch digitale Optimierung ein Geschäftsfeld effizienter zu bestellen als andere Markteilnehmer, so erhält es Marktvorteile und kann als Optimierungsspezialist sein Betätigungsfeld erweitern und ausbauen.
Digitalisierungsansätze an der Schule als Ergebnis einer Fortentwicklung der Lehrpläne
Schulen leisten bereits jetzt einen überragenden Digitalisierungsbeitrag. Durch die Vermittlung von Sprache, Schrift und algorithmischen Verfahrens, sowie durch Anwendung und Einsatz dieser Grundtechniken auf unterschiedliche Fachbereiche werden die Schüler Schritt für Schritt mit wichtigen Digitalsierungstechniken vertraut gemacht.
Innerhalb der begrenzten Schulzeit von 9-13 Jahren (in D) können sicherlich in gewissem Umfang auch Aspekte aus den zwei anderen großen Bereichen der Digitalisierung Eingang in die Lehrpläne finden.
Beispiel für “digitale” Lehrinhalte:
1. Elektronische Datenverarbeitung
– Statistische Verfahren und andere Algorithmen
– Grundlegende Datenstrukturen und Speicherverfahren
– Visualisierung
2. Kommunikation
– Elektronische Kommunikationsmedien
– Interkulturelle Kommunikation
3. Wirtschaft und Recht
– Rechtliche Grundlagen – AGBs
– Digitaler Businessplan
Vom Lehrplan zum Unterrichtskonzept
Auf Basis eines Lehrplans können nun Unterrichtskonzepte zur Vermittlung der verabredeten Lehrinhalte erstellt werden. Die Unterrichtskonzepte sollten sinnvollerweise auch den Einsatz elektronischer Geräte und Anwendungen beinhalten.
Anforderungen an die digitale Ausstattung
Aus den Unterrichtskonzepten können nun Anforderungen an die digitalen Ausstattung abgeleitet werden. Bei der Ermittlung von Anforderungen ist es stets wichtig die verschiedenen Stakeholder einzubeziehen. In der Schule ist dies zunächst das Dreieck: Kinder, Lehrer, Eltern. Auch Unternehmen und Experten können in weiteren Schritten hinzugezogen werden. Am Ende der Beratungen kann ein Anforderungskatalog stehen, z.B.
– Jedes Kind hat das Recht auf eine bedarfsgerechte Ausstattung zur Erfüllung der schulischen Aufgaben.
– Für das Fach Deutsch hat jedes Kind die Möglichkeit Daten in einem hierarchischen Dateisystem abzulegen und Zitationen in einem geeigneten Werkzeug erfassen. Vorschlag Softwarepaket XY
– Für das Fach Informatik wird ein Terminal, ein Editor ud eine Tastatur benötigt. Vorschlag Softwarepaket XY
– Für das Fach Sozialwissenschaften hat jedes Kind die Möglichkeit mit dem eine Tabellenkalkulation für ein genanntes Problem zu erstellen. Vorschlag: Softwarepaket XY
…usw.
Bei der Auswahl der Softwarepakte und der Systemanforderungen sind vernünftiger Weise grundsätzlich Effizienzkriterien anzulegen. So ist grundsätzlich darauf zu achten, dass die Programme in ihrer Lizensierung kostengünstig über Schullizenzen bereitgestellt werden können. Anwendungen, die Nutzerdaten speichern und verwerten, sind zu meiden (Datensparsamkeit).
Zum Schluss kann der Anforderungskatalog priorisiert werden, d.h. die einzelnen fachlichen Anforderungen werden in eine geordnete Liste gebracht.
Auf Basis dieses Anforderungskatalogs werden nun IT-Lösungen, Gerätekonfiguration, Lizensierugsmodelle eruiert. Dies kann, je nach Ambition, durch einen externen Dienstleister erfolgen, oder über die Erfragung von Kostenvoranschlägen in gängigen Shops erfolgen.
Nutzung von digitalen Produkten und Endnutzergeräten
Am Ende des hier skizzierten Digitalisierugsprozesses gibt es ein Konzept, ein Anforderungskatalog und eine Auswahl von Empfehlungen die IT-Ausstattung betreffend. Nun sollten die Stadt als Schulträger über die Kosten informiert werden und die Beschaffung der Ausstattung sollte möglichst zentral und kosteneffizient initiiert werden.
Fazit
Die Fixierung auf Devices unter dem Oberbegriff Digitalisierung lenkt von der eigentlichen Aufgabe ab. Durch die Festlegung auf vorgegebene Reseller und Produkte entsteht das Risiko zu Hoher Kosten und einer am Ende dennoch nicht anforderungsgerechten Ausstattung. In Köln wird meinem Eindruck nach das Pferd derzeit vom Schwanz her aufgezäumt. Den Schulen wird der Zugang zu einem Apple-Reseller und einem IT-Dienstleister geboten. Um die Finanzierung der Endgeräte müssen sich die Schulen, ergo Eltern, selber kümmern. Die Unterrichtskonzepte sollen anschließend um die Geräte und damit verbundenen Shopsysteme herum entwickelt werden. M.E. zeigt dieses Vorgehen, wie Digitalisierung NICHT laufen sollten. Am Anfang eines Digitalisierungsvorhabens (oft ein Optimierungsvorhaben! Schule optimieren?) sollte ein Konzept und Bedarfserhebung stehen. Die Digitalisierung sollte dann passgenau und kosteneffizient erfolgen.